Mikrozirkulationsstörungen: trockene AMD, Hörsturz & diabetisches Fußsyndrom
Störungen der Mikrozirkulation sind der Auslöser für die Entstehung und des Fortschreitens einer ganzen Reihe von Erkrankungen. Mikrozirkulation ist hierbei nicht nur gleichzusetzen mit der beeinträchtigten Durchgängigkeit kleinster Gefäße.
Auslöser für die Entstehung zahlreicher Erkrankungen
Die Mikrozirkulation beinhaltet das gesamte interaktive Netzwerk des Blutgefäßsystems mit dem umgebenden Gewebe auf zellulärer und molekularer Ebene als wesentlicher Voraussetzung einer intakten Gewebefunktion. Erkrankungen, denen eine gestörte Mikrozirkulation zugrunde liegen kann, sind zum Beispiel die trockene altersabhängige Makuladegeneration (AMD), der akute Hörverlust, das ischämisch diabetische Fuß-Syndrom oder die kritische Extremitätenischämie.
Trockene altersabhängige Makuladegeneration
Die AMD ist eine Erkrankung der Netzhaut des Auges, die zum Verlust des zentralen Sehvermögens führen kann, und häufigste Ursache schwerer Sehbehinderungen und Erblindung oberhalb des 50. Lebensjahres in allen westlichen Ländern. Neben dem Alter werden eine genetische Veranlagung und Umweltfaktoren als Ursachen angenommen. Klinisch lassen sich zwei Formen der AMD unterscheiden: die trockene und feuchte AMD. Bei den trockenen Formen, die etwa 80% der Erkrankungen ausmachen, bilden sich eiweiß- und lipidhaltige Ablagerungen, so genannte Drusen, unterhalb der Netzhaut, oder Netzhautbereiche atrophieren. Kommt es zu Gefäßneubildungen in der Netzhaut, entsteht die feuchte Form der AMD.
Hörsturz
Ein plötzlicher Hörverlust oder eine starke Hörminderung, allgemein als Hörsturz bezeichnet, ist eine akut auftretende, meist einseitige Funktionsstörung des Innenohres mit Schwerhörigkeit. Hinzu kommen häufig Ohrgeräusche (Tinnitus) und ein Druckgefühl im betroffenen Ohr. Eine einzelne Ursache für den Hörsturz ist nicht bekannt. Unabhängig vom auslösenden Geschehen (z.B. Durchblutungsstörungen, Infektionen, zelluläre Regulationsstörungen) spielt eine Störung der Mikrozirkulation des Innenohres eine wichtige Rolle bei der Ausbildung des Krankheitsbildes.
Diabetisches Fußsyndrom
Unter dem Begriff des diabetischen Fußsyndroms werden verschiedene klinische Bilder zusammengefasst, die häufig eine Kombination aus Gefäßerkrankung (mikro- und makroangiopathisch) und neuropathischen Komponenten (Polyneuropathie) aufweisen. Durch eine schlechtere Wahrnehmung von krankhaften Veränderungen an den Füßen in Kombination mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Ulzerationen aufgrund von Durchblutungsstörungen kommt es zu einem fortschreitenden Krankheitsprozess, an dessen Ende die Amputation der gesamten Extremität stehen kann. Betroffene leiden unter massiven Einschränkungen und einer deutlich herabgesetzten Lebensqualität. Bis zu 10 % aller Patienten mit Diabetes mellitus leiden an einem Fußulkus. Etwa 70 % aller Amputationen in Deutschland werden bei Patienten mit Diabetes mellitus durchgeführt.
Welche Therapiemöglichkeiten für Mikrozirkulationsstörungen bietet die DFPP?
Mit dem Apherese-Verfahren Doppelfiltrations-Plasmapherese (DFPP, auch Rheopherese) wird ein definiertes Spektrums rheologisch relevanter „großer“ Plasmaproteine aus dem Blut entfernt. Dazu zählen zum Beispiel Fibrinogen, α2-Makroglobulin, IgM, der Von-Willebrand-Faktor und LDL-Cholesterin. Die Plasmaviskosität wird durch die DFPP pulsartig um 15–18% gesenkt, was die Fließeigenschaft des Blutes deutlich verbessert ohne den Hämatokritwert als Parameter der Sauerstofftransportkapazität im Blut zu verändern. Dadurch wird gleichzeitig die Sauerstoffversorgung betroffener Gewebe verbessert.
AMD
Drei kontrollierte klinische Studien in den USA und den Universitätsaugenkliniken Köln und Frankfurt zeigten, dass der natürliche Verlauf der AMD mit seiner fortschreitenden Visusverschlechterung durch die DFPP signifikant verbessert werden kann [Brunner et al. 2000, Pulido et al. 2002 und 2005, Koss et al. 2009].
Die DFPP ist demnach bei Hochrisikopatienten mit trockener AMD, bei denen keine Therapiealternative besteht, zu erwägen. Die initiale Behandlungsserie besteht aus acht Behandlungen. Das aktuell empfohlene Therapieschema sieht jeweils zwei Behandlungen innerhalb einer Woche vor, gefolgt von einer zwei- bis vierwöchigen Therapiepause. Nach zwölf Monaten sollte die Notwendigkeit von Wiederholungsbehandlungen überprüft werden.
Hörsturz
Die Wirksamkeit der DFPP (auch allgemein unter Einschluss der HELP-Apherese als Fibrinogen-LDL-Apherese bezeichnet) zur Behandlung des akuten Hörverlustes wurde in zwei in Deutschland durchgeführten kontrollierten, randomisierten multizentrischen klinischen Studien mit 240 und 201 Patienten [Mösges et al. 2009, Suckfüll et al. 2002] im Vergleich zur Standardtherapie gezeigt. Es konnte zudem ein positiver Effekt der Apherese auf die Lebensqualität im Vergleich zur Standardtherapie beobachtet werden [Mösges et al. 2008]. In weiteren Untersuchungen konnte bei Patienten mit rezidivierenden Hörsturzereignissen, die sich als refraktär gegenüber einer Infusionstherapie erwiesen, mithilfe der DFPP eine signifikante Verbesserung des Hörvermögens erreicht werden [Canis et al. 2008, Uygun-Kiehne et al. 2010].
Diabetisches Fußsyndrom
In einer Pilotstudie wurde die Wirksamkeit der DFPP beim ischämisch diabetischen Fußsyndrom untersucht. Fortschritte bei der Wundheilung und Veränderungen des Sauerstoffpartialdrucks im Gewebe wurden dabei dokumentiert. Es konnte gezeigt werden, dass die DFPP zum Erhalt der funktionellen Extremität und damit der Vermeidung von Major-Amputationen beitragen kann [Klingel et al. 2005, Erdtracht et al. 2008].
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Weiterführende Informationen und Literatur
- Apherese-Standard der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 2023
- Guidelines on the Use of Therapeutic Apheresis in Clinical Practice – Evidence-Based Approach from the Writing Committee of the American Society for Apheresis (ASFA): The Eighth Special Issue
- Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), Leitlinie Nr. 21, Altersabhängige Makuladegeneration AMD, 30. Oktober 2015
- S1-Leitlinie „Hörsturz“ (akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust) der Dt. Ges. f. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, 31. Januar 2014
Publikationen zur AMD
- Brunner R, Widder RA, Walter P et al. Influence of membrane differential filtration on the natural course of age-related macular degeneration: a randomized trial. Retina (2000) 20: 483-491.
- Klingel R, Koch FHJ, Kirchhof B. Best-available evidence supports the use of Rheopheresis for high-risk dry age-related macular degeneration. Ther Apher Dial (2010) 14: 608-609.
- Koss MJ, Kurz P, Tsobanelis T et al. Prospective, randomized, controlled clinical study evaluating the efficacy of Rheopheresis for dry age-related macular degeneration. Dry AMD treatment with Rheopheresis trial-ART. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol (2009) 247: 1297-1306.
- Pulido J, Klingel R, Sanders D. Rheopheresis for age-related macular degeneration: clinical results and putative mechanism of action. Can J Ophthalmol (2005) 30: 332-340.
- Pulido J, Klingel R, Sanders DR et al. Multicenter prospective, randomized, double-masked, placebo-controlled study of Rheopheresis to treat nonexudative age-related macular degeneration: interim analysis. Tran Am Ophthalmol Soc (2002) 100: 85-108.
Publikationen zum Hörsturz
- Heigl F, Hettich R, Suckfüll M et al. Fibrinogen/LDL apheresis as successful second-line treatment of sudden hearing loss: a retrospective study on 217 patients. Atheroscler Suppl (2009) 10: 95-101.
- Mösges R, Köberlein J, Heibges A et al. Rheopheresis for idiopathic sudden hearing loss: results from a large prospective, multicenter, randomized, controlled clinical trial. Eur Arch Otorhinolaryngol (2009) 266: 943–953.
- Mösges R, Köberlein J, Erdtracht B et al. Quality of life in patients with idiopathic sudden hearing loss: comparison of different therapies using the Medical Outcome Short Form (36) Health Survey questionnaire. Otol Neurotol (2008) 29: 769-775.
- Suckfüll M. Fibrinogen and LDL apheresis in treatment of sudden hearing loss: a randomised multicentre trial. Lancet (2002) 360: 1811–1817.
- Uygun-Kiehne S, Straube R, Heibges A et al. Rheopherese bei rezidivierendem Hörsturz - Therapieoption nach erfolgloser Infusionstherapie. HNO (2010) 58: 445-451.
Publikationen zum diabetischen Fußsyndrom
- Erdtracht B, Klingel R. Rheopherese zur Behandlung von Mikrozirkulationsstörungen am Beispiel des ischämischen diabetischen Fußes und der diabetischen Retinopathie. Lebendige Wissenschaft (2008) 96-109:1 60-162.
- Klingel R, Erdtracht B, Gauss V et al. Rheopheresis in patients with ischemic diabetic foot syndrome: result of an open label prospective pilot trial. Ther Apher Dial (2005) 9: 473-481.
- Klingel R, Mumme C, Faßbender T et al. Rheopheresis in patients with ischemic diabetic foot syndrome: results of an open label prospective pilot trial. Ther Apher Dial (2003) 7: 444-455.
- Richter WO, Jahn P, Jung N et al. Fibrinogen adsorption in the diabetic foot syndrome and peripheral arterial occlusive disease: first clinical experience. Ther Apher (2001) 5: 335-339.
- Solignac J, Bataille S, Touzot M et al. Rheopheresis for severe peripheral arterial disease in hemodialysis patients: A clinical series. J Clin Apher (2022) 37: 91–99.
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