AB0-inkompatible Nierentransplantation
Die Warteliste von Patientinnen und Patienten in Deutschland, die eine Nierenspende benötigen, umfasst aktuell mehr als 7.000 Personen. Pro Jahr melden die Krankenhäuser etwa 3.000 neue Patientinnen und Patienten, die eine Spenderniere benötigen. 2020 wurden in Deutschland 1.909 Nieren transplantiert, davon 450 nach einer Lebendorganspende.
Blutgruppen-inkompatible Nierenspende
Für die meisten Menschen auf der Warteliste gibt es also keinen Lebendspender. Wenn ein Mensch bereit ist, einem nahestehenden Menschen eine Niere zu spenden, ist dies häufig aufgrund einer Blutgruppenunverträglichkeit nicht möglich. Etwa 30 % aller möglichen Nierenlebendspenden konnten in der Vergangenheit wegen fehlender Blutgruppenübereinstimmung nicht durchgeführt werden.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass im menschlichen Blut Antikörper gegen fremde Blutgruppeneigenschaften existieren, die Blutgruppenantikörper (Isohämagglutinine). So hat ein Mensch mit der Blutgruppe A natürlicherweise Antikörper gegen die Blutgruppeneigenschaft B, ein Patient mit Blutgruppe B solche gegen die Blutgruppe A. Patienten mit der Blutgruppe 0 besitzen Antikörper gegen Blutgruppe A und B. Nur bei Patienten der Blutgruppe AB kommen solche Antikörper nicht vor.

AB0-inkompatible Nierentransplantation
Wird also ein Organ in einen Empfänger mit einer nicht passenden (inkompatiblen) Blutgruppe transplantiert, dann erkennen die Antikörper im Blut des Empfängers die fremde Blutgruppeneigenschaft auf der Oberfläche der Zellen des transplantierten Organs. Sie binden an diese Zellen und lösen so in den allermeisten Fällen eine heftige Abstoßungsreaktion aus, die unbehandelt zum Verlust des Organs binnen weniger Tage führt.
Wichtige Option für die effizientere Durchführung von Transplantationen
Die Blutgruppen-unverträgliche (AB0-inkompatible) Nierentransplantation ist ein Verfahren, mit dem eine Nierenlebendspende auch zwischen Menschen möglich ist, deren Blutgruppeneigenschaften nicht zueinander passen. Um Abstoßungen, die durch Antikörper gegen die fremde Blutgruppe ausgelöst werden, zu verhindern, müssen diese vor einer Transplantation aus dem Blut des Empfängers entfernt und ihre Produktion unterdrückt werden. Für eine gewisse Zeit nach der Transplantation muss die Nachproduktion von Blutgruppenantikörpern zudem effektiv verhindert werden. Die AB0-inkompatible Nierentransplantation ist angesichts der unzureichenden Verfügbarkeit von Spenderorganen eine sehr wichtige Option für die Durchführung von Transplantationen weltweit und in Deutschland.
Um eine AB0-inkompatible Nierentransplantation zu ermöglichen, erhalten die Patienten immunsuppressive Medikamente und zur Unterdrückung der Antikörper-Produktion in der Regel Rituximab. Die Vorbereitung des Organ-Empfängers erfordert zudem den Einsatz von Verfahren der Therapeutischen Apherese, um die Blutgruppenantikörper des Empfängers zum Zeitpunkt der Operation unter eine empirisch festgelegte Titerschwelle abzusenken. Die Verfahren, die Blutgruppenantikörper aus dem Plasma des Patienten entfernen können, bilden damit das Gerüst der Vorbereitungsprotokolle für die Transplantation.
Apherese bei AB0-inkompatibler Nierentransplantation
Zu den eingesetzten Aphereseverfahren zählen die spezifische Adsorption der Blutgruppenantiköper mit nicht-regenerierbaren Adsorbern, die nicht-spezifische selektive Adsorption von Immunglobulinen (Breitband-Immunadsorption) mit regenerierbaren, mehrfach verwendbaren Adsorbern und der unspezifische Plasmaaustausch, synonym als Plasmapherese bezeichnet. In Deutschland kommen entsprechend individueller Empfängerkonstellationen verschiedene Protokolle unter Verwendung dieser Verfahren zum Einsatz. Die antigenspezifische Adsorption hat den Vorteil, das Antikörperrepertoire des Empfängers unmittelbar vor der Transplantation gezielt nur um die Blutgruppenantikörper zu reduzieren. Die Breite des individuellen Antikörperrepertoires der Immunabwehr wird nicht verändert.
Die ABO-inkompatible Nierentransplantation nach Lebendnierenspende ist mittlerweile ein Standardverfahren der deutschen Transplantationszentren mit sehr guten Langzeitergebnissen. Der frühe Zeitraum bis etwa zwei Wochen nach der Transplantation ist für die AB0-inkompatiblen Empfänger mit einem erhöhten Risiko von Infektionen, Abstoßungsreaktionen und Blutungskomplikationen verbunden. Das höhere Infektionsrisiko des ersten Jahres ist mit der im Vergleich zur blutgruppengleichen Nierentransplantation komplexeren und insgesamt stärkeren Immunsuppression in Verbindung zu bringen. Der immunsuppressive Summationseffekt der Therapiemodalitäten ist hierbei entscheidend und muß individuell bewertet werden. Gesamtimmunsuppression und Abstoßungsrisiko stehen sich gegenüber.
Für weitere Informationen zur Blutgruppen-inkompatiblen Nierentransplantation wenden Sie sich gerne an uns.
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Weiterführende Informationen und Literatur
- Apherese-Standard der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 2023
- Guidelines on the Use of Therapeutic Apheresis in Clinical Practice – Evidence-Based Approach from the Writing Committee of the American Society for Apheresis (ASFA): The Ninth Special Issue
- Manual zur Vereinheitlichung der Evaluation vor Nierentransplantation und Nierenlebendspende, der Wartelistenführung vor Nierentransplantation und zur Nachsorge nach Nierentransplantation und Nierenlebendspende, Arbeitsgemeinschaft der Nierentransplantationszentren Nordrhein-Westfalens und Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG), 2018
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